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Karl Rove, Valerie Plame und

die Bush-Präsidentschaft - Watergate II?


Von F. William Engdahl, 16.8.05


Eine seltsame Geschichte macht dieser Tage in Washington und in den etablierten Medien zunehmend von sich reden, von der viele dachten, sie sei seit mehr als einem Jahr so gut wie zu den Akten gelegt. Die Geschichte betrifft Karl Rove und einen Reporter der Zeitschrift «Time» namens Matthew Cooper. Cooper sagt derzeit vor einem Untersuchungsausschuss darüber aus, was der Vertraute des Präsidenten, Karl Rove, ihm gegenüber in einem Interview im Juli 2003 über eine CIA-Agentin namens Valerie Plame wirklich gesagt hat.

Rove, der offiziell den Titel des White House Deputy Chief of Staff trägt, ist derjenige, den Washington-Insider als «Bushs Gehirn» bezeichnen. Rove ist der Architekt aller Spindoctor-Kampagnen, Täuschungen, schmutzigen Tricks usw., um George W. Bush an der Macht zu halten. Er hat jede Kampagne für ihn organisiert, seit Bush Gouverneur von Texas war, und steht seit 1973 an der Seite von Bush. Rove ist der Architekt von Bushs bizarrer und politisch einflussreicher Allianz mit der Christlichen Rechten [«Christian Right»]. Es war Rove, von dem berichtet wird, er habe kurz nach dem Irak-Krieg gesagt: «Vor den Wahlen 2004 wird es keine weiteren Kriege geben.» Der Grund dafür hatte nichts mit den von Terrorstaaten ausgehenden Gefahren oder mit Massenvernichtungswaffen oder mit al-Kaida zu tun, sondern lag in dem eiskalten politischen Kalkül, dass ein zweiter Krieg vor November 2004 die Aussichten für eine Wiederwahl beeinträchtigen würde.

Was ist die «Plame-Affäre», und könnte sie zum Watergate II für Bush werden? Valerie Plame war eine verdeckte CIA-Agentin, deren Identität durch Reporter Bob Novak während des Irak-Krieges aufgedeckt wurde. Angeblich wurde ihre Identität von Rove verraten als Rache dafür, dass ihr Mann, Joe Wilson, gegenüber dem Weissen Haus eine Stellungnahme abgegeben hatte, es gebe keine Beweise dafür, dass Saddam versucht habe, heimlich angereichertes Uran von der Regierung des afrikanischen Staates Niger zu kaufen.

Obwohl Botschafter Wilson dies der CIA so berichtet hatte, ignorierte Bush (oder unterdrückte Rove) diesen Bericht und erklärte, dass «der britische Geheimdienst berichtet, dass Irak das unentbehrliche Uran von einem afrikanischen Land für sein Nuklearprogramm bekommen hat».

Es gibt beachtliche Beweise dafür, dass Rove mit seinem Verhalten gegen verschiedene Bundesgesetze verstiess, und die Tatsache, dass Wilson nicht schweigt, macht dies potentiell explosiv. Fast zwei Jahre lang versuchte das Weisse Haus, in der Angelegenheit für Ruhe zu sorgen. Der Zeitpunkt der neuen Enthüllungen legt nahe, dass massgebliche Kreise innerhalb des US-Establishments, wahrscheinlich auch Republikaner, die Angelegenheit benutzen, um der Bush-Präsidentschaft den Kopf abzuschlagen.

Bushs Rache?

Bis jetzt galt die Annahme, der Verrat des Namens von Plame durch das Weisse Haus an Novak, der die Geschichte als erster im Juli 2003 an die Öffentlichkeit brachte, sei die Rache von Bush dafür gewesen, dass ihr Ehemann Joe Wilson nicht nur den Bericht weitergegeben hatte, dass es kein Urangeschäft in Niger gegeben hat, sondern dass er zudem noch die Stirn hatte, einen viel beachteten Kommentar in der «New York Times» zu schreiben. Damit liess er die hässliche Katze aus dem Sack und zwang Rove, Überstunden im Spin-doctoring zu machen. Wilson hatte damals der Presse gegenüber auch noch erklärt, dass die Behauptung des Weissen Hauses über Niger «die Frage nahelege, worüber die sonst noch lügen ... ».

Einige argumentieren, die Rufmordkampagne von Rove gegen Joe Wilson und seine Frau habe auch darauf abgezielt, andere potentielle Regimekritiker zum Schweigen zu bringen.

Aber der zentrale Punkt, der jetzt langsam ans Licht kommt, ist der Missbrauch von falschen Behauptungen über eine irakische Atombombe durch das Weisse Haus, um vor der amerikanischen Öffentlichkeit und dem Kongress einen Krieg zu rechtfertigen.

Die Plame-Rove-Affäre kommt zu einem Zeitpunkt hoch, wo vertrauliche britische Dokumente von der «Times» öffentlich gemacht werden, die zeigen, dass Blair die Gründe für einen Krieg gegen den Irak ebenfalls absichtlich vortäuschte, indem er seinem Kabinett im Juli 2002 mitteilte, dass Geheiminformationen über den Irak und Massenvernichtungswaffen vom Weissen Haus zugunsten einer Kriegspolitik «fabriziert» würden - was nahelegt, dass er sich diesbezüglich mit Bush abgesprochen hatte. Bisher haben die Medien die Blair-Story so gut wie totgeschwiegen. Die Popularität von Bush fällt in den letzten Wochen gefährlich ab, was die Rove-Affäre für ihn besonders schlimm macht.

Die irakische Atombombendrohung war eine Fälschung und wurde, wie sich jetzt herausstellt, auf Anweisung des Weissen Hauses in einen nationalen Geheimbericht aufgenommen, um den Kongress im Oktober 2002 dazu zu bringen, für einen Krieg zu stimmen. Bezeichnenderweise gewannen die Bush-Republikaner im Monat darauf im Hinblick auf die Kriegsfrage auch die Kontrolle des Senats. Die Niger-Lüge und Rove stehen daher im Mittelpunkt der gesamten Irak-Täuschungsgeschichte, die in Blairs England ans Tageslicht gekommen ist.

Vor zwei Jahren war der Generalstaatsanwalt gezwungen, einen unabhängigen Sonder-ermittler, Patrick Fitzgerald, einzusetzen, um die Untersuchung zu leiten. Wie der Neokonservative William Kristol kürzlich bemerkte, ist Fitzgerald «das Problem für das Weisse Haus; wir (sic!) haben keine Ahnung, was er weiss». Er war es, der Rove für eine Einvernahme vorlud und ebenso Matthew Cooper und die Reporterin der «New York Times», Judith Wilson, die sich weigerte und jetzt wegen Missachtung eines Untersuchungsausschusses im Gefängnis sitzt.

Ein Anzeichen dafür, dass dies für Bush zu einem grösseren Skandal wird, ist die Tatsache, dass die verheerenden neuen Enthüllungen jetzt ständig in der «Washington Post» und anderen grösseren Medien erscheinen. Vor einem Jahr hörte man davon nichts. Am 21. Juli brachte der hochrangige Kolumnist der «Washington Post», Walter Pincus, eine Geschichte mit folgendem Titel: «Ein Memo, das für die Nachforschungen zentral ist, verdeutlichte den Informationsstatus: Plames Identität war als geheim markiert.»

Er berichtet, dass ein «geheimes Memorandum des Aussenministeriums, das für eine bundesstaatliche Untersuchung wegen Geheimnisverrats zentral ist, Informationen über die CIA-Beamtin Valerie Plame in einem Abschnitt enthielt, der mit '(s)' für 'secret' [geheim] markiert war; ein deutliches Anzeichen dafür, dass jedes Mitglied der Bush-Administration, das die Information las, sich bewusst gewesen sein muss, dass sie geheim war, wie gegenwärtige und frühere Regierungsmitglieder bestätigten». Er fügt hinzu: «Der Abschnitt, der sie als die Ehefrau des früheren Botschafters Joseph C. Wilson IV identifizierte, war deutlich markiert, um zu zeigen, dass er Material mit der Geheimhaltungsstufe 'secret' [geheim] enthielt, was zwei Quellen bestätigten. Die CIA klassifiziert nach früheren hochrangigen Beamten der CIA als 'secret' die Namen von Beamten, deren Identitäten verdeckt sind.» Es ist nach Bundesrecht für jeden Beamten illegal, den Namen eines geheimen oder verdeckten CIA-Agenten wissentlich durchsickern zu lassen.

Auf Grund dieser Information verliert das Alibi von Cheney, er habe nie gewusst, dass die Ehefrau von Joe Wilson eine Geheimagentin war, wesentlich an Glaubwürdigkeit. Die Haie sammeln sich. Auszüge aus verschiedenen Stellungnahmen im Hinblick darauf, wer in dem Plame-Fall was wusste, sind hier nützlich:

«Tatsache ist, Karl Rove hat keine geheime Information bekanntgegeben.» Dies sagte Ken Mehlman, der Vorsitzende der Republikanischen Partei.

«Ich kannte ihren Namen nicht. Ich habe ihren Namen nicht bekanntgegeben.» Dies sagte Karl Rove über Valerie Wilson/Plame letztes Jahr bei CNN.

«Er sagte keinem Reporter, dass Valerie Plame für die CIA arbeitete.» Dies sagte Robert Luskin, Rove's Anwalt, nachdem Newsweek berichtet hatte, dass Rove eine Quelle von Matthew Cooper von der Zeitschrift Time gewesen war, aber bevor Newsweek ein E-Mail von Cooper veröffentlicht, in dem stand, dass Rove Cooper mitgeteilt hatte, dass «Wilson's Frau [...] anscheinend bei der CIA mit Angelegenheiten von Massenvernichtungswaffen befasst ist».

Bei einer Pressekonferenz am 19. Juli im Weissen Haus wurde dem Pressesprecher von Bush, Scott McClellan, nur eine Frage gestellt: Steht Bush noch immer zu seinem Versprechen, jeden zu entlassen, der für schuldig befunden wird, eine geheime Agentenidentität bekanntgegeben zu haben? Die Lektüre der Transkription zeigt offen, wie das Weisse Haus jetzt ins Schwitzen gerät, da sein sorgfältig konstruierter Kreis von Lügen und Vertuschungen sich aufzulösen beginnt. Eine Woche vorher hatte kein Reporter auch nur eine Frage zu Roves Rolle gestellt.

Das Rove-Lager - unterstützt von seinen konservativen Medien - hat seine Verteidigung auf ein doppeltes Fundament gestellt: Er habe Valerie Wilson/Plame nicht «beim Namen» genannt; er habe keine geheime Information preisgegeben. Die erste dieser Versicherungen ist irreführend und irrelevant; die zweite ist falsch.

Nach dem Intelligence Identities Protection Act [Gesetz zum Schutz der Identität von Geheimdienstmitarbeitern] ist es für einen Regierungsbeamten ein Verbrechen, einen «verdeckten Agenten» der Vereinigten Staaten zu identifizieren. Das Gesetz definiert «verdeckter Agent» als «ein gegenwärtiger oder im Ruhestand befindlicher Beamter oder Angestellter eines Geheimdienstes oder ein gegenwärtiger oder im Ruhestand befindliches Mitglied der Streitkräfte, der zu Dienstleistungen für einen Geheimdienst abgeordnet ist, dessen Identität als Beamter, Angestellter oder Mitglied eine geheime Information darstellt». Plames Status war geheim, und sie war eine CIA-Agentin mit verdecktem Status. Nach dem Cooper-E-Mail des Magazins Time hat somit Rove geheime Informationen über Plame bekanntgegeben, was nach dem Gesetz ein krimineller Akt ist. Das Argument wegen des Namens ist irrelevant, weil Rove sie «Wilsons Frau» genannt hat, was als Identifizierung nach dem Gesetz ausreicht. Der Name ist ein Ablenkungsmanöver, ein roter Hering, den Rove & Co erfunden haben, um die explodierende Geschichte zu entschärfen.

Acht leere Seiten

Der Fall ist derzeit zugespitzt auf «acht leere Seiten» einer Entscheidung von Richter David Tatel vom Februar, in der angeordnet wird, dass Cooper und Miller ihre Quellen offenlegen. Richter Tatel hatte früher angedeutet, dass er die Sache nicht als Gefahr für die nationale Sicherheit ansehe, jedenfalls bis er die Beweisführung der Anklage gelesen hatte, und dann geschlossen, dass «das Presseprivileg hinter der Schwere der verfolgten Taten zurückstehen müsse». Was war so schwerwiegend? Dass der Präsident der Vereinigten Staaten und seine Untergebenen wissentlich gelogen haben, als er im Januar 2003 im Bericht zur Lage der Nation angab, dass Niger beweise, dass der Irak noch immer an der Bombe baue? Dass der Präsident wissentlich das Land in den Krieg gelogen hat mit der Folge von Tausenden von Menschenleben und Hunderten von Milliarden von Dollar an Kosten?

Die Bush-Rove-Cheney-Mannschaft hat die Glaubwürdigkeit von Finanzminister Paul O'Neill zerstört, als dieser offenlegte, dass Bush vom ersten Tag an in seinem Amt im Januar 2001 geplant hat, im Irak einzumarschieren. Die Bush-Rove-Mannschaft zerstörte die Glaubwürdigkeit des Anti-Terrorismus Experten Richard Clarke, indem sie ihn 2004 als Kerry-«Maulwurf» entliess, als Clarke offenlegte, dass das Weisse Haus unter Bush bereits am 12. September 2001 den 11. September als einen Vorwand benutzen wollte, um den Irak anzugreifen. Sie warfen den früheren Kommandeur des Marine Corps und den Gesandten für den Mittleren Osten, General Zinni, auf den Müll, als Zinni die Strategie von Rumsfeld und den Neo-Cons für einen Blitzkrieg unter dem Motto «shock and awe» [Schock und Ehrfurcht] kritisierte. Ähnlich erging es General Shinseki, der protestierte, weil die Kräfte für eine Besetzung unzulänglich seien.

Senator John Kerry plant, wegen der Affäre eine Anhörung durch den Kongress zu beantragen. Wie Jude Wanniski, ein früherer Berater von Ronald Reagan, der seither mit den Neo-Konservativen gebrochen hat, sagt: «Da wird etwas sehr Grosses verdeckt.» Da dies von einem Reagan-Republikaner kommt, legt es nahe, dass dieser Skandal möglicherweise das Weisse Haus zudeckt und Bush definitiv viel früher als geplant zu einer lahmen Ente macht.

Aus: Zeit-Fragen Nr.32 vom 16.8.2005

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Über den Autor

Geboren 1944, wuchs zwischen den Ölfeldern von Texas auf. Das mag der Grund sein, warum ihn die Beschäftigung mit der technisch und politisch aufregenden Welt des Öls nicht mehr losließ.

Seit über 30 Jahren ist er wissenschaftlich und journalistisch tätig. Er hat seither Arbeiten über die verschiedensten Aspekte internationaler Öl-, Energie- und Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Magazinen und Zeitschriften veröffentlicht, unter anderem auch in TIPRO-Reporter, dem Magazin der unabhängigen Ölförderer in Texas.

Darüber hinaus hat er regelmäßig Beiträge über internationale Wirtschafts- und Energiefragen in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht, unter anderem in European Banker, Business Banker International, Grant`sInvestor, Nikon Keizai Shimbun (Japan) und Foresight Magazine. Der Autor lebt heute als freier Schriftsteller in der Nähe von Frankfurt am Main.

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