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Bushs “Krieg gegen die Tyrannei”
 

Von F. William Engdahl, 14.3.05


In den jüngsten öffentlich gehaltenen Reden haben George W. Bush und andere Regierungsmitglieder, darunter auch Condoleezza Rice, eine bedeutungsvolle Veränderung in der Kriegsrhetorik vollzogen. Ein neuer «Krieg gegen die Tyrannei» wird lanciert, der den nicht mehr zeitgemässen Krieg gegen den Terror ersetzen soll. Weit davon entfernt, nur eine semantische Nuance zu sein, zeigt diese Veränderung in hohem Masse, wie Washingtons globale Agenda inskünftig aussehen soll.

In seiner Amtsantrittsrede vom 20. Januar erklärte Bush: «Es ist die Politik der Vereinigten Staaten, in jeder Nation und in jeder Kultur demokratische Bewegungen und Institutionen anzustreben und zu unterstützen, mit dem Endziel, die Tyrannei in unserer Welt zu beenden.» (Hervorhebung durch den Autor) Die Formulierung, «die Tyrannei in unserer Welt zu beenden», wiederholte Bush auch in seiner Rede zur Lage der Nation. 1917 führten die USA «Krieg, um die Welt sicher zu machen für die Demokratie», und 1941 war es ein «Krieg, um alle Kriege ein für allemal zu beenden».

Tyrannei als Rechtfertigung für militärische Intervention

Tyrannei als Rechtfertigung für militärische Intervention der USA zu gebrauchen kennzeichnet einen dramatischen nächsten Schritt in Washingtons Streben nach Weltherrschaft. Washington steht heute selbstverständlich als Kürzel für die politische Vorherrschaft einer privaten Gruppe von Militär- und Energiekonglomeraten, die von Halliburton zu McDonnell Douglas, von Bechtel zu ExxonMobil und ChevronTexaco reichen - eine Situation wie sie Eisenhower in seiner Abschiedsrede 1961 vorhergesehen hatte, in der er vor einer übermässigen Kontrolle der Regierung durch einen militärisch-industriellen Komplex warnte.

Der Kongress erklärte den Eintritt in den Zweiten Weltkrieg als Reaktion auf einen aggressiven Angriff der Japaner auf die US -Flotte in Pearl Harbor. Auch wenn Washington zur Rechtfertigung seiner Kriege die Grenzen der Täuschung und Fälschung in Vietnam und anderswo immer weiter ausdehnte, so hat es bis heute seine Unternehmen wenigstens immer mit der Behauptung gerechtfertigt, eine andere Macht habe einen Angriff oder feindliche Militäraktionen gegen die USA initiiert. Der Begriff Tyrannei aber bezieht sich auf die inneren Angelegenheiten eines Staates: auf das Verhältnis zwischen einem Führer und einem Volk und hat nichts mit dessen Aussenpolitik zu tun. Er hat nichts mit einem Angriff auf die Vereinigten Staaten oder andere Länder zu tun.

Historisch hatte Washington kein Problem, mit einigen der grössten Tyrannen der Welt Freundschaft zu pflegen, solange sie «Pro-Washington»-Tyrannen waren, beispielsweise mit der Militärdiktatur von Pervez Musharraf in Pakistan, geradezu einem Sinnbild der Unterdrückung. Man könnte noch andere Tyrannen aufzählen, die man als Freunde behandelt - Alijew in Aserbaidschan oder Karimov in Usbekistan oder das Al-Sabah-Regime in Kuwait oder Oman. Möglicherweise auch Marokko oder das Kolumbien Uribes. Es gibt eine lange Liste von Pro-Washington-Tyrannen.

Aus leicht ersichtlichen Gründen wird Washington sich kaum gegen seine «Freunde» wenden. Der neue Antityrannei-Kreuzzug scheint daher gegen «antiamerikanische» Tyrannen gerichtet zu sein. So stellt sich die Frage, welche Tyrannen auf dem Radarschirm für das furchteinflössende Arsenal des Pentagon an intelligenten Bomben und verdeckten Geheimdienstoperationen erscheinen? Einen Hinweis liess Condoleezza Rice während ihrer Anhörung vor dem Senatsausschuss für auswärtige Angelegenheiten fallen, zwei Tage vor der Amtseinweihung von Bush. Selbstverständlich war ihre Rede vom Weissen Haus vorher bereinigt worden.

Washingtons Tyrannenliste

Rice' Hinweis auf Washingtons Tyrannenliste fiel mitten in einer sonst sehr moderaten Stellungnahme während ihrer Anhörung vor dem Senat. Sie erklärte, «in unserer Welt bestehen noch immer Vorposten der Tyrannei [...] in Kuba und Burma und Nordkorea und im Iran und in Weissrussland und Zimbabwe». Abgesehen von der Tatsache, dass die Aussenministerin sich nicht darum scherte, sich auf Burma unter seinem heutigen Namen Myanmar zu beziehen, verweist die Liste auf die nächste Phase in Washingtons Strategie, mittels präemptiver Kriege zur Weltherrschaft zu gelangen.

So verantwortungslos dies angesichts des Schlamassels im Irak scheint - die Tatsache, dass bisher kaum öffentlich über einen derart erweiterten Krieg debattiert worden ist, zeigt, wie weitgehend der Konsens innerhalb des Washingtoner US-Establishments in der Kriegspolitik ist. Laut einem Bericht von Seymor Hersh im New Yorker vom 24. Januar, hat Washington bereits einen Kriegsplan von Bush für die kommenden 4 Jahre genehmigt, der 10 Länder vom Nahen Osten bis nach Ostasien zum Ziel hat. Die Aussage von Rice gibt einen Hinweis auf 6 dieser 10 Länder. Sie deutete auch an, dass Venezuela hoch oben auf dieser nicht öffentlichen Liste von ins Visier genommenen Ländern steht.

Meldungen zufolge sind heute schon Spezialkräfte des Pentagon innerhalb des Iran aktiv und bereiten, wie Seymour Hersh berichtet, Details über militärische und Nuklearanlagen für mögliche zukünftige Bombenangriffe auf. Auf höchster Ebene haben Frankreich, Deutschland und die EU sehr wohl Kenntnis von der US-Agenda für den Iran im Zusammenhang mit der Debatte um dessen Atomprogramm; das erklärt auch die wilden diplomatischen Attacken der EU auf den Iran.

In seiner Rede zur Lage der Nation erklärte der Präsident, der Iran sei «der wichtigste staatliche Terrorförderer der Welt». Der Kongress schliesst sich dem wie üblich an und beginnt, die Kriegstrommeln gegen den Iran zu rühren. Der Chef des israelischen Geheimdienstes Mossad schätzte in einer Stellungnahme vor der israelischen Knesset, über die in der «Jersualem Post» berichtet wurde, dass das Kernwaffenprogramm des Iran ab Ende 2005 «nicht mehr zu stoppen» sein würde. Dies deutet auf starken Druck von Israel auf Washington hin, den Iran noch in diesem Jahr «zu stoppen».

Auch von einem ehemaligen CIA-Beamten, Vince Cannistraro, verlautete, dass die neue Rumsfeld-Kriegsagenda eine Liste von 10 Ländern mit oberster Priorität beinhalte. Zusätzlich zum Iran umfasst sie Syrien, den Sudan, Algerien, den Yemen und Malaysia. Gemäss einem Bericht vom 23. Januar in der «Washington Post» hat auch General Richard Myers, Chef des Vereinigten Generalstabs, eine Liste von dem, was das Pentagon «auftauchende Ziele» (emerging targets) für präemptive Kriege nennt; dazu gehören Somalia, der Jemen, Indonesien, die Philippinen und Georgien - eine Liste, die er Minister Rumsfeld geschickt hat.

Während Georgien nun seit der Wahl von Saakaschwili als de facto unter Nato- oder US-Kontrolle betrachtet werden kann, sind die anderen Staaten in hohem Masse gefährdet von der umfassenden US-Agenda für den neuen Krieg gegen die Tyrannei. Wenn wir Syrien, den Sudan, Algerien und Malaysia und aus der Liste von Condoleezza Rice Kuba, Weissrussland, Myanmar (Burma) und Zimbabwe zusammennehmen und zur Liste des Generalstabschefs mit Somalia, dem Jemen, Indonesien und den Philippinen addieren, haben wir schon rund 12 mögliche Ziele für entweder eine geheime Destabilisierungsaktion durch das Pentagon oder eine direkte militärische Intervention, sei es eine «chirurgische» oder eine umfassendere. Und da ist selbstverständlich noch Nordkorea, das als nützlicher dauerhafter Reibungspunkt dient, um die amerikanische Militärpräsenz in der strategischen Region zwischen China und Japan zu rechtfertigen. Ob es nun 10 oder 12 Ziele sind, die Richtung ist klar.

Frappierend ist, wie genau diese Liste der «auftauchenden Ziele», der «Vorposten der Tyrannei» mit dem strategischen Ziel der Administration zur globalen Kontrolle über die Energiereserven - ganz klar der strategische Hauptschwerpunkt der Bush-Cheney-Regierung - übereinstimmt.

General Norman Schwarzkopf, der 1991 den Angriff gegen den Irak führte, erklärte dem US-Kongress 1990: «Das Öl des Nahen Ostens ist der Lebensnerv des Westens. Es versorgt uns heute mit Treibstoff, und da es 77% des Öls der freien Welt ausmacht, wird es uns auch noch dann versorgen, wenn der Rest der Welt bereits auf dem trockenen sitzt.» Er sprach über das, was einige Geologen «peak oil», den Scheitelpunkt der Ölförderung nennen, nämlich das Ende der Ära des preiswerten Öls, ohne dieser Tatsache eine übermässige Beachtung zu schenken.

Das war 1990. Heute, angesichts der Tatsache, dass US-Truppen einen halbpermanenten Aufenthalt im Irak vorbereiten und darauf hinarbeiten, die globalen Ölreserven und Engpässe des Energietransportes zu kontrollieren, ist die Situation viel weiter fortgeschritten. In den letzten Jahren, einer Zeit, in der die bestehenden Quellen für das Öl des Westens, von der Nordsee nach Alaska und darüber hinaus, immer stärker abnehmen, haben sich China und Indien schnell zu Wirtschaftssystemen mit Hauptanteilen am Ölimport entwickelt. Hier haben wir ein vorprogrammiertes Szenario für zukünftige Konflikte um Rohstoffe auf globaler Ebene.

Geopolitik um Öl und der «Krieg gegen Tyrannei» ...

Wird Kuba als ein Ziel dieses Krieges gegen Tyrannei genannt, so steht es stellvertretend für Chavez' Venezuela, das, auf dem Weg über Kuba von Putin und nun von China massiv unterstützt wird. Rice erwähnte ausdrücklich das enge Band zwischen Castro und Chavez. Nach einem fehlgeschlagenen Putschversuch durch die CIA zu Beginn von Bushs erster Amtsperiode versucht Washington nun offensichtlich, sich in Caracas zurückzuhalten. Ziel bleibt aber ein Regimewechsel des widerspenstigen Chavez, dessen jüngster Affront gegen Washington sein kürzlicher Besuch in China war, wo er ein umfassendes bilaterales Energieabkommen unterzeichnete. Chavez besass auch die Frechheit, Pläne bekanntzugeben, auf Grund derer Ölverkäufe inskünftig von den USA nach China umgeleitet werden und seine US-Ölraffinerien verkauft werden sollen. Teil dieses Abkommens mit China wäre eine neue Pipeline zu einem Hafen an der Küste Kolumbiens, womit die US-Kontrolle im Panamakanal umgangen wäre. Rice erklärte dem Senat, Kuba sei ein «Vorposten der Tyrannei» und bezeichnete Venezuela im gleichen Atemzug als einen «regionalen Unruhestifter».

Indonesien mit seinen riesigen natürlichen Gasressourcen, von denen es vorwiegend nach China und Japan liefert, stellt einen interessanten Fall dar, denn es hat anscheinend seit September 2001 mit Washingtons «Krieg gegen den Terror» kooperiert. Unmittelbar nach der Tsunami-Katastrophe erhob die Regierung Indonesiens lautstark Protest, als das Pentagon innerhalb von 72 Stunden einen US-Flugzeugträger und Spezialtruppen entsandte, um in Aceh an Land zu gehen und «Rettungsarbeiten durchzuführen». Der Flugzeugträger «USS Abraham Lincoln» mit 2000 vermutlich im Irak stationierten Soldaten der Marine-Infanterie an Bord setzte zusammen mit «USS Bonhomme Richard» aus Guam etwa 13000 Mann US-Truppen auf Aceh an Land, was zahlreiche indonesische Militärs und die Regierung alarmierte. Die Regierung gab zwar ihr Einverständnis, verlangte aber, dass die US-Truppen das Land Ende März verlassen und auf Aceh kein Basislager errichten. Kein Geringerer als der Stellvertretende Verteidigungsminister und Irak-Krieg-Stratege, Paul Wolfowitz, früherer US-Botschafter in Indonesien, unternahm eine sofortige «Untersuchungstour» in der Region. ExxonMobil unterhält eine riesige Flüssigerdgasproduktion auf Aceh, von wo aus China und Japan mit Energie versorgt werden.

Kontrolle der Schiffahrtswege

Wenn wir Myanmar der Liste der «auftauchenden Ziele» hinzufügen - ein Staat, der wohl die Menschenrechte massiv missachtet, der aber zugleich auch ein Hauptverbündeter Pekings ist und von dort Militärhilfe erhält -, dann wird eine mögliche strategische Umzingelung Chinas ersichtlich. Malaysia, Myanmar und Aceh in Indonesien stellen strategische Flanken dar, von wo aus die wichtigen Schiffahrtswege der Strasse von Malakka kontrolliert werden können, durch die die Öltanker vom Persischen Golf nach China fahren. Ausserdem werden 80% des japanischen Öls durch die Strasse von Malakka transportiert.

Die Energie-Informationsbehörde der US-Regierung bezeichnet die Strasse von Malakka als eine der «wichtigsten strategischen Meerengen des Welt-Öl-Transitverkehrs». Ist es nicht überaus praktisch für Washington, wenn es sich im Zuge des Aushebens eines Nestes von Tyrannenregimes die militärische Kontrolle über diese Meerengen aneignen könnte? Bisher haben die Staaten in dieser Gegend die wiederholten Versuche Washingtons zur Militarisierung dieses Seeweges vehement zurückgewiesen.

Mit der Kontrolle oder einer Militarisierung von Malaysia, Indonesien und Myanmar würden die US-Streitkräfte die Gewalt über die strategische Meerenge des weltweit am meisten befahrenen Meereskanals für Öl vom Golf nach China und Japan erhalten. Es wäre ein enormer Schlag gegen die Bemühungen Chinas, seine energiewirtschaftliche Unabhängigkeit von den USA zu sichern. Mit der US-Besetzung des Irak hat China dort bereits riesige Erdölkonzessionen verloren. Damit nicht genug, steht auch die Ölversorgung Chinas aus dem Sudan unter zunehmendem Druck aus Washington.

Entreisst Washington den Iran den Mullahs, erhielte es damit die Kontrolle über die strategische Meerenge des strategisch wichtigsten Öl-Wasserweges, die Strasse von Hormuz, eine 2 Meilen breite Passage zwischen dem Persischen Golf und dem Arabischen Meer. Die wichtigste US-Militärbasis in der Nahostregion befindet sich in Doha, Katar, auf der dem Iran gegenüberliegenden Seite in der Nähe der Meerenge. Eines der grössten Gasfelder der Welt liegt ebenfalls hier.

Algerien ist ein weiteres offensichtliches Ziel im «Krieg gegen die Tyrannei». Algerien ist der zweitwichtigste Lieferant von Erdgas nach Kontinentaleuropa, und es verfügt über bedeutende Rohölreserven mit niedrigem Schwefelanteil - genau die Sorte, die US-Raffinerien brauchen. Ungefähr 90% des algerischen Öls fliesst nach Europa, hauptsächlich nach Italien, Frankreich und Deutschland. Präsident Bouteflika hat wohl verstanden, im Washingtoner Kaffeesatz vom 11. September zu lesen, und versprach umgehend seine Unterstützung für den «Krieg gegen den Terror». Bouteflika hat zwar schon die Privatisierung von staatlichem Aktienbesitz in Gang gebracht, nicht aber die der lebenswichtigen staatlichen Ölgesellschaft Sonatrach. Das wird eindeutig nicht genug sein, um den Appetit der Planer in Washington zu stillen.

Wie bereits erwähnt, ist der Sudan heute Chinas wichtigster Öllieferant. Chinas nationale Ölgesellschaft hat seit 1999 mehr als 3 Milliarden Dollar in den Bau von Pipelines investiert, die vom Süden des Landes bis zum Hafen des Roten Meeres verlaufen. Dass diese Tatsache «zufälligerweise» mit Washingtons wachsender Sorge um Völkermord und eine humanitäre Katastrophe im ölreichen Darfur im Westen Sudans zusammenfällt, hat man in Peking sehr wohl registriert. So drohte China in der Uno mit seinem Veto gegen jede Intervention im Sudan. Ende letzten Jahres bestand die erste politische Handlung des wiedergewählten Dick Cheney darin, seinen Vizepräsidenten-Jet mit Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates zu füllen und diese nach Nairobi zu fliegen, um dort die humanitäre Krise in Darfur zu erörtern. Das weckt unheimliche Erinnerungen an die «humanitäre» Sorge des Verteidigungsministers Cheney um Somalia im Jahre 1991.

Dass die Wahl Washingtons neben Somalia auch auf den Jemen fiel, passt gut zusammen, wie ein Blick auf die Landkarten des Nahen Ostens und des Horns von Afrika deutlich macht. Jemen liegt an der Meerenge des Öltransits von Bap el Mandap, ein Engpass, von wo aus der Öltransit zwischen dem Roten Meer und dem Indischen Ozean kontrolliert werden kann. Der Jemen besitzt auch Öl, obwohl bisher noch niemand weiss, wieviel. Möglicherweise sehr viel. Eine amerikanische Firma, Hunt Oil Co., fördert dort 200000 Barrel pro Tag, aber das ist wahrscheinlich nur die Spitze des Fundes. Der Jemen passt zusammen mit dem nahegelegenen Somalia sehr gut als «auftauchendes Ziel».

Die Militäraktion von Herbert Walter Bush gegen Somalia im Jahr 1992, bei der sich die USA eine blutige Nase holten, drehte sich in Wirklichkeit auch um Öl. Kaum jemand wusste damals, dass die «humanitäre Intervention» mit 20000 US-Soldaten, die Vater Bush in Somalia anordnete, wenig mit der angeblichen Hungerhilfe für die somalische Bevölkerung zu tun hatte. Sehr viel hatte sie aber mit der Tatsache zu tun, dass alle 4 grossen amerikanischen Ölgesellschaften - darunter Amoco (heute BP), Chevron von Condoleezza Rice und Phillips - unter Führung von Bushs Freunden bei Conoco in Houston, Texas, im Besitz von riesigen Ölförderkonzessionen in Somalia waren. Die Verträge waren mit dem früheren proamerikanisch eingestellten tyrannischen und korrupten Regime von Siad Barre ausgehandelt worden.

Dummerweise war Barre gerade in dem Moment abgesetzt worden, als Conoco mit 9 Probebohrstellen auf das schwarze Gold stiess, wie Geologen der Weltbank bestätigten. Der US-Gesandte Robert B. Oakland, ein Veteran des US-amerikanischen Mudschahedin-Projekts in Afghanistan während der 80er Jahre, liess ihre Absichten beinahe auffliegen, als er 1992 auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs in Mogadischu sein Hauptquartier aus Sicherheitsgründen in das Lager von Conoco verlegte. Eine erneute US-Säuberung der somalischen «Tyrannei» würde den erwähnten US-Ölfirmen die Türe öffnen, um das unter Umständen riesige Ölvorkommen in Somalia zu erfassen und zu erschliessen. Jemen und Somalia stellen zwei Flanken derselben geologischen Formation dar, die umfassende potentielle Öllager einschliesst, und sie bilden auch die Flanken der strategischen Meerenge für den Öl-Transit, der vom Roten Meer kommt.

Auch Weissrussland ist kein Meister der Menschenrechte. Aber von Washingtons Standpunkt aus betrachtet, ist es die enge Bindung seiner Regierung an Moskau, die es zu einem offensichtlichen Kandidaten für einen Regimewechsel im Stil der «orangenen Revolution» in der Ukraine macht. Gelänge ein solcher, könnten die USA damit die westliche Umzingelung Russlands mitsamt seinen Exportpipelines nach Europa vollenden. Etwa 81% aller russischen Ölexporte gehen heute auf westeuropäische Märkte. Ein solcher Regimewechsel in Weissrussland würde die Möglichkeit einschränken, dass Russ-land, das im Besitz von Nuklearwaffen ist, ein Bündnis mit Frankreich, Deutschland und der EU als potentielle Gegenkraft gegen die Macht der USA als einziger Supermacht bilden könnte. Das zu verhindern hat höchste Priorität in Washingtons Eurasienpolitik.

Markt des Pentagon ausgeweitet

Die militärische Infrastruktur, die nötig wäre, um mit solchen tyrannischen Staaten fertigzuwerden, scheint sich auch schon herauszubilden. In der Zeitschrift The New Yorker vom 24. Januar zitiert Altjournalist Seymour Hersh Quellen von CIA und Pentagon, laut denen die Position von Rumsfeld und seinen Kriegsfalken heute stärker ist als vor dem Irak-Krieg. Hersh berichtet, dass Bush im letzten Jahr ohne grosses Aufsehen einen Befehl unterzeichnet hat, durch den grössere Geheimoperationen der CIA und ihren strategischen Analysen dem Pentagon unterstellt wurden, ein Schritt, mit dem die Oberaufsicht des Kongresses umgangen wird. Hersh setzt hinzu, dass man sich in der Bush-Administration schon lange vor der Wahl auch auf Pläne zur Ausweitung des «Krieges gegen den Terror» unter Rumsfeld geeinigt habe.

Die «Washington Post» bestätigte Hershs Darstellungen. Sie berichtete, dass Rumsfelds Pentagon auf Anordnung des Präsidenten und unter Umgehung des Kongresses eine neue Abteilung für Strategische Unterstützung (Strategic Support Branch SSB) kreiert habe, die nun auch traditionell geheimdienstliche und andere Funktionen der CIA übernimmt. Laut einem Bericht des pensionierten Obersten der US-Armee, Dan Smith, der letzten November in der Zeitschrift Foreign Policy in Focus veröffentlicht wurde, gehören zu der neuen Abteilung SSB militärische Spezialeinheiten wie SEAL-Team 6 und Delta-Force Armee-Geschwader (Sondereinheiten wie die Green Berets) sowie eine paramilitärische Armee von 50000 Mann, die für potentielle Kriege ausserhalb des Zuständigkeitsbereiches des Kongresses zur Verfügung stehen.

Die Liste der «neu auftauchenden Ziele» im neuen «Krieg gegen die Tyrannei» ist zweifellos provisorisch und lässt sich dem Lauf der Entwicklungen anpassen. Es ist offensichtlich, dass auf höchster politischer Ebene eine atemberaubende Phalanx zukünftiger militärischer und ökonomischer Offensiven vorbereitet wird, um die Welt von Grund auf zu verändern. Wenn Washington seinen Willen durchsetzen kann, wird die Kontrolle aller Engpässe der Öltransportrouten durch eine einzige Macht in den nächsten Jahren einen Welt-Ölpreis von 150 Dollar oder mehr pro Barrel zur Folge haben.

Aus: Zeit-Fragen Nr. 11, 2005

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Über den Autor

Geboren 1944, wuchs zwischen den Ölfeldern von Texas auf. Das mag der Grund sein, warum ihn die Beschäftigung mit der technisch und politisch aufregenden Welt des Öls nicht mehr losließ.

Seit über 30 Jahren ist er wissenschaftlich und journalistisch tätig. Er hat seither Arbeiten über die verschiedensten Aspekte internationaler Öl-, Energie- und Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Magazinen und Zeitschriften veröffentlicht, unter anderem auch in TIPRO-Reporter, dem Magazin der unabhängigen Ölförderer in Texas.

Darüber hinaus hat er regelmäßig Beiträge über internationale Wirtschafts- und Energiefragen in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht, unter anderem in European Banker, Business Banker International, Grant`sInvestor, Nikon Keizai Shimbun (Japan) und Foresight Magazine. Der Autor lebt heute als freier Schriftsteller in der Nähe von Frankfurt am Main.

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