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Ein Neues “American Century”?

Der Irak und die heimlichen Euro-Dollar-Kriege

Von F. William Engdahl, 16.6.03


  Trotz des scheinbar raschen militärischen Erfolgs der USA im Irak ist der Dollar schwächer statt stärker. Dies ist eine unerwartete Entwicklung, da viele Devisenhändler einen gestärkten Dollar erwartet hatten, sobald die Nachricht eines US-Sieges gemeldet würde. Die Kapitalströme bewegen sich weg vom Dollar hin zum Euro. Viele beginnen sich zu fragen, ob die objektive Situation der US-Wirtschaft weitaus schlechter ist, als die Börse meldet. Die Zukunft des Dollars ist keineswegs nur eine unbedeutende Angelegenheit, die nur Banken oder Devisenhändler interessiert. Er ist das Kernstück der «Pax Americana» oder, wie es auch genannt wird, des «American Century», des Systems, auf dem die Rolle Amerikas in der Welt beruht. Doch während der Dollar nach dem Ende der Kämpfe im Irak ständig an Wert gegenüber dem Euro verliert, scheint Washington in öffentlichen Stellungnahmen das Absinken des Dollars absichtlich noch schlimmer darzustellen. Was jetzt passiert, ist ein Machtspiel von höchster geopolitischer Bedeutung, vielleicht sogar das verhängnisvollste seit dem Aufkommen der USA als führender Weltwirtschaftsmacht im Jahre 1945.

Die Koalition der Interessen, die im Irak-Krieg zusammenflossen, einem Krieg, der für die USA eine strategische Notwendigkeit darstellte, umfasste nicht nur die vernehmbaren und deutlich sichtbaren neokonservativen Falken um Verteidigungsminister Rumsfeld und seinen Stellvertreter, Paul Wolfowitz. Es standen auch mächtige langfristige Interessen dahinter, von deren globaler Rolle der Einfluss der amerikanischen Wirtschaft abhängt, wie beispielsweise der einflussreiche Energiesektor um Halliburton, Exxon Mobil, Chevron Texaco und andere multinationale Riesenkonzerne. Dazu gehören auch die gigantische amerikanische Waffenindustrie um Boeing, Lockheed-Martin, Raytheon, Northrup-Grumman und andere. Der springende Punkt für diese riesigen Verteidigungs- und Energie-Konglomerate sind nicht die paar einträglichen Aufträge vom Pentagon für den Wiederaufbau der irakischen Ölanlagen, die die Taschen von Dick Cheney und anderen füllen. Es geht vielmehr um den Erhalt der amerikanischen Macht in den kommenden Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts. Das bedeutet nicht, dass bei diesem Prozess keine Profite gemacht werden, aber das ist nur ein Nebenprodukt dieses globalen strategischen Ziels.

Die Rolle des Dollars in Washingtons Machtkalkül

Bei diesem Machtspiel wird die Bedeutung, die der Erhalt des Dollars als die Währungsreserve der Welt hat, am wenigsten verstanden, welcher aber der wichtigste Antrieb hinter dem Machtkalkül Washingtons gegenüber dem Irak in den letzten Monaten darstellt. Die amerikanische Vorherrschaft in der Welt beruht grundsätzlich auf zwei Säulen - ihrer überwältigenden militärischen Überlegenheit, vor allem auf dem Meer, und ihrer Kontrolle über die Wirtschaftsströme der Welt durch die Rolle des Dollars als der Währungsreserve der Welt. Es wird immer deutlicher, dass es im Irak-Krieg mehr darum ging, die zweite Säule, die Rolle des Dollars, aufrechtzuerhalten, als um die erste, das Militär. Was die Rolle des Dollars angeht, ist das Öl ein strategischer Faktor.

Die drei Phasen des «American Century»

Wenn wir rückblickend die Zeit seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges betrachten, kann man mehrere deutliche Entwicklungsphasen der amerikanischen Rolle in der Welt erkennen. Die erste Phase, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit 1945-1948 und am Anfang des kalten Krieges begann, könnte man die Zeit des Bretton-Woods-Goldsystems nennen.

 

Phase I: Die Zeit der Bretton-Wood-Institution

Unter dem Bretton-Wood-System unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war die Ordnung relativ stabil. Die USA waren aus dem Krieg als die alleinige Supermacht hervorgegangen mit einer starken industriellen Basis und den grössten Goldreserven aller Nationen. Die Anfangsaufgabe war es, Westeuropa wieder aufzubauen und eine Nordatlantik-Allianz gegen die Sowjetunion zu schaffen. Die Rolle des Dollars war direkt mit der des Goldes verknüpft. Solange Amerika die grössten Goldreserven besass und seine Wirtschaft weltweit am effizientesten produzierte, war die gesamte Bretton-Woods-Währungsstruktur vom französischen Franc über das britische Pfund Sterling bis zur deutschen Mark stabil. Im Zusammenhang mit der Unterstützung des Marshallplans und Krediten zur Finanzierung des Wiederaufbaus des vom Kriege zerschlagenen Europas wurden Dollarkredite ausgedehnt. Die amerikanischen Firmen, darunter auch die multinationalen Ölkonzerne, verdienten reichlich durch diese Vorherrschaft des Handels zu Beginn der 1950er Jahre. Washington unterstützte sogar das Zustandekommen des Vertrags von Rom im Jahre 1958, um die europäische Wirtschaftsstabilität zu stärken und damit weitere US-Exportmärkte zu schaffen. Diese Anfangsphase, die der Herausgeber des Time Magazine, Henry Luce, das «American Century» nannte, war, was die Wirtschaftsgewinne betraf, recht «positiv», sowohl für die USA als auch für Europa. Die USA hatten immer noch einen wirtschaftlichen Spielraum, in dem sie sich bewegen konnten.

Dies war die Ära der liberalen amerikanischen Aussenpolitik. Die USA waren der Hegemon innerhalb der westlichen Staatengemeinschaft. Da sie im Vergleich zu Europa, Japan und Südkorea über enorme Goldreserven und Wirtschaftsressourcen verfügten, konnten es sich die USA durchaus leisten, ihre Handelsgrenzen für Exporte aus Europa und Japan zu öffnen. Als Gegenleistung unterstützen die Europäer und Japaner die USA bei ihrer Rolle während des kalten Krieges.

Während der 1950er und frühen 1960er Jahre beruhte die amerikanische Führung weniger auf direktem Zwang als auf dem Herstellen eines Konsenses mit den Alliierten, sei es bei GATT -Handelsrunden oder in anderen Bereichen. Eliteorganisationen wie die Bilderberger-Treffen wurden organisiert, um einen zufriedenstellenden gemeinsamen Konsens zwischen Europa und den USA zu erreichen.

Diese erste, eher «freundliche» Phase des «American Century» ging in den frühen 1970ern zu Ende.

Ende des Bretton-Wood-Systems

Das Bretton-Woods-Goldsystem begann zusammenzubrechen, weil Europa wirtschaftlich auf eigene Füsse kam und Mitte der 1960er eine bedeutende Exportregion wurde. Diese zunehmende wirtschaftliche Stärke Westeuropas fiel zusammen mit den ansteigenden öffentlichen Defiziten der USA, weil Johnson den tragischen Krieg in Vietnam eskalieren liess. Während der 1960er Jahre begann Frankreichs General de Gaulle für die Gewinne aus den französischen Exporten aus den amerikanischen Staatsreserven Gold statt Dollars zu verlangen, was während der Zeit von Bretton Woods durchaus legal war. Gegen November 1967 war aber der Goldfluss aus den USA und aus den Tresoren der Bank von England kritisch geworden. Das schwache Glied in der Kette des Bretton-Woods-Goldsystems war England, der «kranke Mann Europas». Die Kette riss, weil der Sterling im Jahre 1967 entwertet wurde. Das beschleunigte nur noch den Druck auf den US-Dollar, da französische und andere Zentralbanken ihre Forderungen nach US-Gold im Tausch für ihre Dollarreserven verstärkten. Sie kalkulierten die steigenden Kriegsdefizite durch den Vietnam-Krieg mit ein, und es würde nur noch eine Frage von Monaten sein, bis die USA selber gezwungen sein würden, ihren Dollar gegen das Gold abzuwerten, um wenigstens noch einen guten Preis für ihr Gold erzielen zu können.

Aufhebung der Goldbindung - Einführung freier Wechselkurse (floating)

Im Mai 1971 war der Fluss der US-Goldreserven besorgniserregend geworden. Sogar die Bank von England hatte sich den Franzosen und ihren Forderungen nach Gold gegen Dollars angeschlossen. Das war der Punkt, an dem die Nixon-Administration dafür plädierte, das Gold vollständig aufzugeben und im August 1971 zu einem System der «frei flotierenden» Währungen überzugehen, statt einen Kollaps der US-Goldreserven zu riskieren.

Der Bruch mit dem Gold öffnete den Weg für eine völlig neue Phase des «American Century». In dieser neuen Phase wurde die Kontrolle über die Währungspolitik durch grosse internationale Banken wie die Citibank, Chase Manhattan oder Barclays Bank de facto privatisiert. Sie übernahmen die Rolle, die die Zentralbanken beim Goldsystem innegehabt hatten, jedoch nun völlig ohne Gold. «Freie Marktentwicklungen» konnten nun den Dollar festlegen. Und sie taten es mit Macht.

Das freie Floaten des Dollars schaffte gleichzeitig mit dem Anstieg des Opec-Ölpreises um 400% im Jahre 1973 nach dem Yom-Kippur-Krieg eine Basis für eine zweite Phase des «American Century», die Phase des Petrodollars.

 

Phase II: Das Petrodollar-Recycling

Mitte der siebziger Jahre durchlief das System des «American Century» globaler wirtschaftlicher Dominanz einen dramatischen Wandel. Ein anglo-amerikanischer Ölschock schuf plötzlich eine starke Nachfrage nach dem «floating dollar», das heisst einem Dollar mit frei flotierendem Wechselkurs. Ölimportierende Länder von Deutschland über Argentinien bis Japan waren alle mit dem Problem konfrontiert, wie sie in Dollar exportieren konnten, um ihre neuen hohen Rechnungen für den Ölimport zu zahlen. Die Opec-Länder wurden mit neuen Öldollars überflutet. Ein grosser Teil dieser Öldollars kam auf Londoner und New Yorker Banken, wo ein neuer Prozess in Gang gesetzt wurde. Henry Kissinger gab ihm die Bezeichnung «Das Recycling von Petrodollars». Die Recycling -Strategie wurde bereits im Mai 1971 beim Bilderberger-Treffen in Saltsjoebaden, Schweden, diskutiert. Sie wurde von den amerikanischen Mitgliedern der Bilderberg-Gruppe präsentiert; die Details werden ausführlich dargestellt im Buch «Mit der Ölwaffe zur Weltmacht».1

Petrodollar-Recyling: Der Beginn der Schuldenkrise der dritten Welt

Die Opec erstickte fast an Dollars, die sie nicht brauchen konnten. Amerikanische und britische Banken nahmen die Opec-Dollar und verliehen sie in Form von Eurodollar-Bonds oder -Darlehen weiter an Drittweltländer, die dringend Dollar aufnehmen mussten, um ihre Ölimporte zu finanzieren. Die Anhäufung dieser Petrodollar-Schulden in den späten siebziger Jahren legte die Basis für die Schuldenkrise der Drittweltländer in den achtziger Jahren. Hunderte Milliarden Dollars wurden zwischen Opec, Londoner und New Yorker Banken und zurück in die Geld aufnehmenden Länder der dritten Welt recycelt.

Der IWF wird «Schuldenpolizist»

Im August 1982 brach die Kette schliesslich, und Mexiko kündigte an, dass es wahrscheinlich den Rückzahlungen seiner Eurodollar-Schulden nicht nachkommen würde. Die Schuldenkrise der dritten Welt begann, nachdem Paul Volcker und die US-amerikanische Notenbank Ende 1979 einseitig den US-Zinssatz angezogen hatten, als Versuch den schwachen Dollar zu retten. Nach drei Jahren mit rekordhohen US-Zinsen war der Dollar «gerettet», aber der Sektor der Entwicklungsländer drohte wirtschaftlich unter den US-Wuchserzinsen auf ihren Petrodollar-Darlehen zu ersticken. Um für die Rückzahlung der Schulden an die Londoner und New Yorker Banken zu sorgen, schalteten die Banken den IWF ein, der als «Schuldenpolizist» zu fungieren hatte. Öffentliche Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt wurden auf Anordnung des IWF zusammengestrichen, um sicherzustellen, dass der Schuldendienst für die Petrodollars gegenüber den Banken rechtzeitig geleistet werden konnte.

Die Phase der Hegemonie des Petrodollars war ein Versuch des US-Establishments, den eigenen geopolitischen Niedergang als weltbeherrschendes Zentrum des Nachkriegssystems zu verlangsamen. Der Washington-Konsens des IWF wurde entwickelt, um die drakonischen Schulden der Drittweltländer einzutreiben, um sie zur Rückzahlung der Dollarschulden zu zwingen, was jegliche wirtschaftliche Unabhängigkeit der Länder im Süden verhinderte und den US-Banken half, den Dollar über Wasser zu halten.

Trilaterale Kommission - die Einbindung Japans

1973 wurde die Trilaterale Kommission von David Rockefeller und anderen ins Leben gerufen, um mit dem Aufkommen Japans als Industriegiganten fertig zu werden und zu versuchen, Japan in das System einzubinden. Japan war als grössere Industrienation ein wichtiger Importeur von Öl. Japans Handelsüberschüsse durch die Exporte von Autos und anderen Gütern wurden verwendet, um Öl mit Dollars zu kaufen. Die restlichen Überschüsse wurden in zinsbringende US-Schatzbriefe (Treasury bonds) investiert, um Zinsen abzuschöpfen. Die G-7 (heute G-8) wurde gegründet, um Japan und Westeuropa innerhalb des US-Dollar-Systems zu halten. Bis in die achtziger Jahre hinein verlangten verschiedene Stimmen in Japan immer wieder, dass sich die drei Währungen - der Dollar, die Deutsche-Mark und der Yen - die Rolle der Weltreserve teilen sollten. Das geschah niemals. Der Dollar blieb dominant.

Von einem engen Blickwinkel aus betrachtet schien die Hegemoniephase des Petrodollars zu funktionieren. Darunter war sie weltweit auf einem Niedergang des wirtschaftlichen Lebensstandard aufgebaut, da die Vorgaben des IWF das Wachstum der nationalen Wirtschaften zerstörten und die Märkte für globalisierende multinationale Unternehmen aufbrachen, die in den achtziger und insbesonders in den neunziger Jahren ihre Produktion in billige Länder verlegen wollten.

Aber sogar in der Petrodollar-Phase war die amerikanische Aussenhandels- und Militärpolitik immer noch von Stimmen des traditionellen liberalen Konsensus dominiert. Die amerikanische Macht hing davon ab, periodisch neue Handelsabkommen oder andere Fragen mit den US-Verbündeten in Europa, Japan und Asien auszuhandeln.

 

Phase III beginnt: Der Petro-Euro - ein Rivale?

Das Ende des kalten Krieges und das Aufkommen eines neuen geeinten Europas und der Europäischen Währungsunion in den frühen 90er Jahren stellte eine vollkommen neue Herausforderung für das «American Century» dar. Es dauerte einige Jahre, mehr als eine Dekade nach dem ersten Golfkrieg 1991, bis diese neue Herausforderung sich in ihrem ganzen Ausmass zeigte. Der gegenwärtige Irak-Krieg wird nur auf dem Hintergrund eines gewaltigen Kampfes innerhalb der neuen, dritten Phase zur Sicherung amerikanischer Vorherrschaft verständlich. Diese Phase ist bereits «demokratischer Imperialismus» genannt worden, ein Lieblingsbegriff von Max Boot und anderen Neokonservativen. Wie die Ereignisse im Irak nahelegen, wird sie wahrscheinlich nicht sehr demokratisch, wohl aber imperialistisch sein.

Im Gegensatz zu der ersten Zeit nach 1945 ist in dieser neuen Ära die Offenheit der USA gegenüber den anderen Mitgliedern der G-7, ihnen Konzessionen zu gewähren, verschwunden. Jetzt ist ungeschminkte Macht das einzige Instrument, die amerikanische Dominanz langfristig aufrechtzuerhalten. Am besten wird dieser Logik von den neokonservativen Falken um Paul Wolfowitz, Richard Perle, William Kristol und anderen Ausdruck verliehen.

Es muss aber betont werden, dass die Neokonservativen seit dem 11. September solchen Einfluss haben, weil die Mehrheit des US-Machtestablishments diese Ansichten als nützlich erachteten, um eine neue aggressive Rolle der USA in der Welt voranzutreiben.

Statt mit den europäischen Partnern Übereinkünfte auszuarbeiten, betrachtet Washington Euroland zunehmend als bedeutende strategische Bedrohung für die amerikanische Hegemonie, vor allem das «Alte Europa» mit Deutschland und Frankreich. Genau wie Grossbritannien während seines wirtschaftlichen Verfalls nach 1870 zunehmend Rettung in verzweifelten imperialen Kriegen in Südafrika und anderswo suchte, benützten die USA ihre militärische Macht, um das zu erreichen, was sie mit wirtschaftlichen Mitteln nicht mehr erreichen können. Hierbei ist der Dollar die Archillesferse.

Mit der Schaffung des Euro in den letzten fünf Jahren wurde dem globalen System ein völlig neues Element hinzugefügt, welches bestimmt, was wir die dritte Phase des «American Century» nennen. Diese Phase, in der der Irak-Krieg eine zentrale Rolle spielt, droht eine neue, bösartige und imperialistische Phase zu werden, welche die früheren Phasen amerikanischer Hegemonie ersetzen soll. Die Neokonservativen sprechen über diese imperialistische Agenda offen, während die eher traditionellen Vertreter der US-Politik sie abzustreiten versuchen. Die wirtschaftliche Realität, der sich der Dollar am Anfang des neuen Jahrhunderts gegenüber sieht, definiert diese neue Phase in einer verhängnisvollen Weise.

Phase III: Dauernde Dominanz durch rohes Diktat

Es gibt einen qualitativen Unterschied zwischen den beiden ersten Phasen des «American Century» - von 1945 bis 1973 und von 1973-1999 - und dieser neuen, sich herausbildenden Phase andauernder Dominanz in der Folge des 11. September und des Irak-Kriegs. Nach 1945 bis heute war die amerikanische Macht vor allem von der Art eines Hegemon. Ein Hegemon dominiert in einer Welt, in der die Macht ungleich verteilt ist, und seine Macht entsteht nicht nur durch Gewalt, sondern im Einverständnis mit seinen Verbündeten. Das ist auch der Grund, wieso der Hegemon zu bestimmten Diensten gegenüber den Verbündeten verpflichtet ist, wie beispielsweise militärische Sicherheit und Regulierung der Weltmärkte zum Vorteil einer grösseren Gruppe - ihn selbst eingeschlossen - zu leisten. Eine imperialistische Macht hat keine solchen Verpflichtungen gegenüber Verbündeten, einzig das rohe Diktat, wie es seine niedergehende Macht aufrechterhalten kann, was manche als «imperial overstretch» bezeichnen («imperiale Überdehung»). Das ist die Welt, die Amerika auf Anraten der neokonservativen Falken um Rumsfeld und Cheney mit einer Politik der Präemptivkriege beherrschen soll.

Ein versteckter Krieg um die globale Hegemonie zwischen dem Dollar und der neuen Währung des Euro steht im Zentrum dieser neuen Phase.

 

Die zwei Säulen der US-Herrschaft: militärische Vormacht ...

Will man die Bedeutung dieser unausgesprochenen Schlacht um die Währungshegemonie verstehen, muss man zuerst verstehen, dass die US-Hegemonie seit dem Aufkommen der Vereinigten Staaten als dominierende Weltmacht nach 1945 auf zwei Säulen geruht hat, die nicht anzufechten waren. Die erste ist die militärische Überlegenheit gegenüber allen Gegnern. Die Vereinigten Staaten geben für die Verteidigung heute mehr als dreimal soviel aus wie die gesamte Europäische Union, nämlich über 396 Milliarden Dollar gegenüber 118 Milliarden Dollar im Vorjahr, und mehr als alle 15 nächstgrösseren Nationen zusammen. Washington plant innerhalb der nächsten fünf Jahre weitere 2,1 Billionen [2100 Milliarden] Dollar für die Verteidigung auszugeben. Keine Nation und keine Gruppe von Nationen kann mit diesen Verteidigungsausgaben schritthalten. China ist mindestens 30 Jahre davon entfernt, eine ernstzunehmende militärische Bedrohung zu werden. Niemand ist ein ernsthafter Gegenspieler gegen die amerikanische Militärmacht.

... und US-Dollar als Weltwährung

Die zweite Säule der amerikanischen Vorherrschaft in der Welt ist die dominierende Rolle des US-Dollars als Weltwährung. Bis zur Einführung des Euro Anfang 1999 gab es keine potentielle Herausforderung der Dollarvorherrschaft im Welthandel. Seit den siebziger Jahren war der Petrodollar Kern der Dollarhegemonie. Letztere ist für die Zukunft einer amerikanischen Weltherrschaft in vieler Hinsicht strategisch ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger als die überwältigende militärische Macht.

Papiergeld Dollar

Die entscheidende Veränderung fand statt, als Nixon die Bindung des Dollars an den Goldstandard kündigte, um freie Wechselkurse mit anderen Währungen einzuführen. Dadurch wurden die Beschränkungen, neue Dollarnoten zu drucken, beseitigt. Die einzige Beschränkung bestand nur noch darin, wie viele Dollars der Rest der Welt nehmen würde. Durch ihren festen Vertrag mit Saudi-Arabien, dem grössten Ölproduzenten der Opec, garantierte Washington, die Erzeugerin des «swings» (die preisbestimmende Menge Öl), dass Öl - der häufigste Rohstoff der Welt, der wichtigste für die Wirtschaft einer jeder Nation, die Grundlage für jeden Transport und für vieles in der Industriewirtschaft - auf den Weltmärkten nur noch gegen Dollars erhältlich war. Der Deal wurde im Juni 1974 von Staatssekretär Henry Kissinger durch die Gründung der US-Saudiarabischen Joint Commission on Economic Cooperation abgeschlossen.

Dollarbindung des Öls

Die amerikanische Schatzkammer und die amerikanische Zentralbank würden der Saudi-arabischen Zentralbank, SAMA, «erlauben», amerikanische Staatsanleihen mit saudischen Petrodollars zu kaufen. 1975 erklärten sich die Opec-Länder offiziell dazu bereit, ihr Öl nur gegen Dollars zu verkaufen. Eine geheime Erklärung des amerikanischen Militärs, Saudi-Arabien zu bewaffnen, war die Gegenleistung.

Bis November 2000 wagte kein Opec-Land, die Dollarpreisregel zu verletzen. Solange der Dollar die stärkste Währung war, gab es auch wenig Anlass dafür. Aber im November 2000 überzeugten Frankreich und andere Mitgliedstaaten der EU Saddam Hussein, sich den USA zu widersetzen, indem er das irakische Öl-für-Nahrungsmittel nicht in Dollars, «der Feindwährung», wie der Irak sie nannte, sondern nur in Euro verkaufe. Die Euros befanden sich auf einem speziellen UN-Konto bei der führenden französischen Bank, BNP Paribas. Radio Liberty des amerikanischen Aussenministeriums brachte darüber eine kurze Meldung in den Nachrichten, die Geschichte wurde aber schnell zum Schweigen gebracht.2

Dieser kaum wahrgenommene Schritt des Irak, sich dem Dollar zugunsten des Euro zu widersetzen, war für sich genommen unbedeutend. Doch, wenn das sich ausgebreitet hätte, insbesondere zu einem Zeitpunkt, in dem der Dollar schon geschwächt war, hätte das einen panischen Verkauf von Dollars durch ausländische Zentralbanken und Opec-Ölproduzenten bewirken können. In den Monaten vor dem jüngsten Irak-Krieg waren Anzeichen, die in diese Richtung deuteten, aus Russland, dem Iran, Indonesien und sogar Venezuela zu hören.

Der Irak-Krieg - tödliche Warnung zur Rettung des Dollars?

Ein Opec-Beamter aus dem Iran, Javad Yarjani, lieferte eine detaillierte Analyse darüber, wie die Opec in naher Zukunft ihr Öl an die EU gegen Euro und nicht gegen Dollars verkaufen würden. Im April 2002 sprach Yarjani in Oviedo in Spanien an einer Einladung der EU. Es sprechen alle Anzeichen dafür, dass der Irak-Krieg gezielt als der einfachste Weg angezettelt wurde, um eine tödliche vorsorgliche Warnung an die Opec-Länder und andere zu schicken, nicht damit zu liebäugeln, das System des Petrodollars zugunsten eines Systems, das auf dem Euro basiert, fallenzulassen.

Informierte Bankierskreise in der City of London (dem Finanzplatz von London) und an anderen Orten Europas bestätigen vertraulich die Bedeutung dieser wenig zur Kenntnis genommenen Bewegung des Irak vom Petro-Dollar zum Petro-Euro. «Der Schritt des Irak war eine Kriegserklärung gegen den Dollar», erzählte mir neulich ein ehemaliger Londoner Bankier. «Sobald es klar war, dass England und Amerika den Irak eingenommen hatten, war ein grosser Seufzer der Erleichterung in den Banken der Londoner City zu hören. Sie sagten vertraulich, Ðjetzt müssen wir uns um diese verdammte Bedrohung durch den Euro keine Sorgen mehr machenð.»

Warum sollte etwas so Kleines eine so grosse strategische Bedrohung für London und New York oder für die Vereinigten Staaten sein, dass ein amerikanischer Präsident dafür offensichtlich fünfzig Jahre alliierter Beziehungen in der ganzen Welt riskiert und mehr noch, einen militärischen Angriff startet, dessen Rechtfertigung vor der Welt nicht bestehen konnte?

Petrodollar stützt die amerikanische Weltherrschaft

Die Antwort liegt in der einzigartigen Rolle des Petro-Dollars für die Untermauerung der amerikanischen Wirtschaft.

Wie funktioniert das? Solange fast 70% des Welthandels in Dollar abgewickelt werden, ist der Dollar die Währung, die die Zentralbanken als Reserve ansammeln. Aber die Zentralbanken, sei es in China, Japan, Brasilien oder Russland häufen nicht einfach nur Dollars in ihren Tresoren an. Währungen haben einen Vorteil gegenüber Gold. Eine Zentralbank kann sie benutzen, um staatliche Oligationen vom Herausgeber, den Vereinigten Staaten zu kaufen. Die meisten Länder der Welt sind gezwungen, ihre Handelsdefizite unter Kontrolle zu behalten, wollen sie sich nicht mit einem Währungszerfall konfrontiert sehen. Die Vereinigten Staaten nicht. Das liegt an der Rolle des Dollars als Reservewährung. Und die Untermauerung dieser Rolle als Reservewährung ist der Petrodollar. Jede Nation muss Dollars bekommen, um Öl importieren zu können, manche mehr als andere. Das hat zur Folge, dass ihr Handel sich an Dollar-Länder richtet, an die USA mehr als an alle anderen.

Weil Öl der wichtigste Rohstoff für jede Nation ist, verlangt das Petrodollar-System, das bis heute existiert, die Entwicklung riesiger Handelsüberschüsse, um Dollarüberschüsse anzusammeln . Dies gilt für alle Länder ausser einem - den USA, die den Dollar beherrschen und ihn nach Belieben oder per Dekret drucken. Weil heute der Grossteil des gesamten internationalen Handels in Dollar abgewickelt wird, müssen die Länder ins Ausland gehen, um die Zahlungsmittel zu bekommen, die sie nicht selbst herausgeben können. Die Struktur des gesamten Welthandels bewegt sich heute rund um diese Dynamik, von Russland bis China, von Brasilien bis Südkorea und Japan. Jeder ist darauf aus, Dollarüberschüsse aus dem Export zu maximieren.

Um diesen Prozess in Gang zu halten, haben die Vereinigten Staaten sich bereit erklärt, der letzte Importeur zu sein, falls sich kein anderer mehr findet, weil die ganze monetäre Hegemonie von diesem Dollar-Recycling abhängt.

Die Zentralbanken von Japan, China, Südkorea, Russland und den anderen Ländern kaufen mit ihren Dollars alle Sicherheiten auf die US-Staatsanleihen, um damit Zinsen für ihre Dollar zu gewinnen. Sie legen sie nicht unter ihre Matratze. Das wiederum erlaubt den Vereinigten Staaten, einen stabilen Dollar und deutlich tiefere Zinssätze und mit dem Rest der Welt ein Zahlungsbilanzdefizit im Wert von 500 Milliarden Dollar zu haben. Die amerikanische Zentralbank beherrscht die Druckerpressen für den Dollar, und die Welt braucht Dollars. So einfach ist das.

Die Bedrohung der USA durch Auslandsschulden

Aber vielleicht ist es doch nicht so einfach: Es ist ein äusserst instabiles System, weil die amerikanischen Handelsdefizite und Nettoschulden oder Aktiva und Passiva gegenüber ausländischen Konten inzwischen gut über 22% des Bruttosozialprodukts aus dem Jahre 2000 liegen und weiterhin rapide ansteigen. Die Auslandnettoverschuldung der Vereinigten Staaten - öffentlich wie privat - beginnt unheilverkündend zu explodieren. In den vergangen drei Jahren - seit die US-Börse zusammengebrochen ist und in Washington wieder Haushaltsdefizite aufgetaucht sind - hat sich die Nettoverschuldung gemäss einer kürzlich herausgebrachten Studie des Pestel-Instituts in Hannover beinahe verdoppelt. 1999, beim Zerplatzen der dot.com.-Blase, betrugen die US-Nettoschulden gegenüber dem Ausland ungefähr 1,4 Billionen Dollar. Am Ende dieses Jahres werden sie schätzungsweise 3,7 Billionen Dollar überschreiten. Vor 1989 waren die Vereinigten Staaten ein Netto-Geldgeber, der mehr durch seine Auslandsinvestitionen gewonnen hat, als er ihnen an Zinsen für Staatsanleihen oder andere Vermögenswerten zahlte. Seit dem Ende des kalten Krieges bis heute sind die USA ein Nettoschuldner in Höhe von bis zu 3,7 Billionen Dollar geworden. Das ist nicht gerade das, was Hilmar Kopper* «peanuts» nennen würde.

Es bedarf keiner grossen Voraussicht, um zu sehen, in welchem Ausmass die Rolle der Vereinigten Staaten durch diese Defizite bedroht ist. Mit einem jährlichen Defizit von mehr als 500 Milliarden Dollar, mehr als 5% des Bruttoinlandsprodukts, müssen die Vereinigten Staaten mindestens für 1,4 Milliarden Dollar importieren oder anziehen, um einen Zerfall des Dollars zu vermeiden und um die Zinssätze niedrig genug für die Unterstützung der schuldenbelasteten Firmen zu halten. Diese Nettoverschuldung verschlimmert sich in rasanten Schritten. Würden Frankreich, Deutschland, Russland und einige Opec -Länder jetzt einen kleinen Anteil ihrer Dollars in Euros umwandeln, um Obligationen von Deutschland oder Frankreich oder dergleichen zu kaufen, würden die USA mit einer strategischen Krise konfrontiert, wie sie seit 1945 keine gesehen haben. Diese Bedrohung abzuwenden war eine der versteckten strategischen Gründe für die Entscheidung, einen, wie es heisst, «Regimewechsel» im Irak anzustreben. Das ist genauso einfach, wie es kalt ist. Die Zukunft von Amerikas Status als einziger Supermacht hing daran, die Bedrohung, die vor allem aus Eurasien und den Euroländern kam, abzuwenden. Der Irak war und ist eine Schachfigur in einem weitaus grösseren strategischen Spiel, einem um höchste Spieleinsätze.

Der Euro bedroht die Hegemonie

Als der Euro am Ende des letzten Jahrzehnts lanciert wurde, gingen führende Regierungsmitglieder der EU, Bankiers der Deutschen Bank, Norbert Walter und der französische Präsident Chirac zu den Haltern der hauptsächlichen Dollarreserven - China, Japan und Russland - und versuchten sie davon zu überzeugen, zumindest einen Teil ihrer Währungsreserven in Euro statt in Dollar anzulegen. Allerdings kollidierten sie mit der Notwendigkeit, den zu hoch bewerteten Euro zu entwerten, damit deutsche Exporte das Wachstum der Euroländer stabilisieren konnten.

Dann, mit dem Debakel von US-dot.com, das wie eine Blase platzte, der Finanzskandale von Enron und Worldcom und der Rezession in den USA begann der Dollar seine Anziehungskraft für ausländische Investoren zu verlieren. Der Euro gewann bis Ende des Jahres 2002 stetig an Wert. Als dann Frankreich und Deutschland ihre geheime diplomatische Strategie entwikkelten, den Krieg im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu blockieren, tauchten Gerüchte auf, wonach die Zentralbanken von Russland und China im Stillen begonnen hätten, Dollars zu verkaufen und Euro zu kaufen. Die Folge davon war der freie Fall des Dollars am Vorabend des Krieges. Für den Fall, dass Washington den Irak-Krieg verlieren würde oder er sich zu einem langdauernden blutigen Debakel entwickeln sollte, war das Szenario bereits gemacht.

Eine andere «Massenvernichtungswaffe»

Aber Washington, führende Banken New Yorks und höhere Ebenen der amerikanischen Elite wussten genau, was auf dem Spiel stand. Im Irak ging es nicht um einfache chemische oder auch nukleare Massenvernichtungswaffen. Die «Massenvernichtungswaffen» bestanden in der Bedrohung, dass andere dem Irak folgen und weg vom Doller hin zum Euro einschwenken würden, um so eine Massenvernichtung der Hegemonie der amerikanischen Wirtschaft in der Welt zu erzeugen. Wie ein Wirtschaftler es formulierte, wäre das Ende der Rolle des Dollars als Weltwährung eine «Katastrophe» für die Vereinigten Staaten. Der Zinsfuss der amerikanischen Zentralbank würde höher als 1979 angehoben werden müssen: Damals hob Paul Volcker beim Versuch, den Zerfall des Dollars zu stoppen, den Zinsfuss um über 17% an. Wenige wissen, dass die Krise des Dollars 1979 ebenfalls eine direkte Folge der Bewegungen von Deutschland und Frankreich unter Schmidt und Giscard waren, um Europa zusammen mit Saudi-Arabien und anderen zu verteidigen, die begannen, US-Schatzanweisungen zu verkaufen, um gegen die Politik der Carter-Administration zu protestieren. Es lohnt zudem, sich in Erinnerung zu rufen, dass die Reagan-Administration nach der Rettung des Dollars durch Volcker, gestützt von vielen der heutigen neokonservativen Falken, mit riesigen militärischen Verteidigungsausgaben begann, um die Sowjetunion herauszufordern.

Eurasien versus anglo-amerikanische Inselmacht

Dieser Kampf von Petro-Dollars gegen Petro-Euros, der im Irak begann, ist trotz des scheinbaren Sieges der USA im Irak keinesfalls vorbei. Der Euro ist nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von französischen geopolitischen Strategen zur Etablierung einer multipolaren Welt geschaffen worden. Das Ziel war, einen Ausgleich zur übermächtigen Dominanz der USA im Weltgeschäft zu schaffen. Es ist daher bezeichnend, dass sich französische Strategen auf einen britischen geopolitischen Strategen stützen, nämlich auf Sir Halford Mackinder, um ihre konkurrierende Alternativmacht gegenüber den USA zu entwickeln.

Im vergangen Februar, schrieb ein dem französischen Geheimdienst nahestehendes Blatt, Intelligence Online, einen Artikel mit dem Titel «Die Strategie hinter der Paris-Berlin-Moskau -Achse». Bezugnehmend auf den Uno-Sicherheitsrats-Block Frankreich-Deutschland-Russland, der versuchte, die amerikanischen und britischen Kriegsbewegungen gegen den Irak zu stoppen, verweist der Pariser Bericht auf die jüngsten Anstrengungen der Europäer und anderer Mächte, eine Gegenmacht gegen die Vereinigen Staaten zu schaffen. Und unter Bezugnahme auf das neue Bündnis von Frankreich und Deutschland - und noch neuer - mit Putin, schreiben sie «eine neue Logik und sogar Dynamik scheint aufgekommen zu sein. Durch eine Allianz zwischen Paris, Moskau und Berlin, die vom Atlantik nach Asien geht, könnte sich ein Ende der US-Macht abzeichnen. Zum ersten Mal seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts hat sich die Idee eines Kernlandes der Welt - der Alptraum britischer Strategen - wieder in die internationalen Beziehungen eingeschlichen.»3

Eurasische Bedrohung

Mackinder, der Vater der britischen Geopolitiker, schrieb in seinem bedeutenden Text, «The Geograhical Pivot of History» («Die geographische Drehscheibe der Geschichte»), dass die Kontrolle des eurasischen Kernlandes, von der französischen Normandie bis Wladiwostock, die einzig mögliche Bedrohung sei, die der Seemacht Grossbritanniens etwas entgegen setzen könnte. Bis 1914 basierte die britische Diplomatie darauf, eine solche eurasische Bedrohung abzuwenden, damals im Hinblick auf die Expansionspolitik des deutschen Kaisers nach Osten mit dem Bau der Bagdad-Bahn und dem Aufbau der deutschen Tirpitz-Marine. Der erste Weltkrieg war das Resultat. Bezüglich der laufenden Bemühungen der Briten und später der Amerikaner, einen eurasischen Zusammenschluss als Rivalen zu verhindern, unterstreicht der Pariser Geheimdienst-Bericht folgendes: «Diese strategische Annäherung (d.h. eine eurasische Kernland-Einheit zu bilden) liegt allen Kämpfen zwischen den kontinentalen Mächten und den Seemächten (GB, USA und Japan) zugrunde. Es ist die Macht Washingtons über die Meere, die - sogar heute - die unerschütterliche Unterstützung Londons für die USA und die Allianz zwischen Tony Blair und Bush diktiert.»

Eine andere gut informierte französische Zeitschrift, Reseau Voltaire.net, schrieb am Vorabend des Irak-Krieges, dass der Dollar «die Achillesverse der USA» sei4. Dies ist - milde gesagt - eine Untertreibung.

Der Irak-Krieg war schon lange geplant

Die aufkommende Bedrohung durch eine französische geführte Euro-Politik mit dem Irak und anderen Ländern brachte führende Kreise des US-politischen Establishments zum Nachdenken über die Bedrohung des Petro-Dollar-Systems, lange bevor Bush Präsident war. Während Perle, Wolfowitz und andere führende Neokonservative eine massgebliche Rolle bei der Entwicklung einer Strategie zur Stützung des lahmenden Systems spielten, zeichnete sich ein neuer Konsens ab, welcher die Hauptelemente des traditionellen Establishments des kalten Krieges um Figuren wie Rumsfeld und Cheney einbezog.

Im September 2000, während der Kampagne, veröffentlichte ein kleiner Washingtoner Thinktank das «Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert» (Projekt for the New American Century», PNAC) eine grosse Politik-Studie: «Rebuilding America's Defenses: Strategies, Forces and Resources for a New Century (Neuaufbau der amerikanischen Verteidigung: Strategien, Kräfte und Quellen für ein neues Jahrhundert).» Der Bericht ist sehr nützlich, um die gegenwärtige Verwaltungspolitik in vielen Bereichen besser zu verstehen. Über den Irak heisst es dort: «Die Vereinigten Staaten sind seit Jahrzehnten bemüht, eine beständigere Rolle in der Sicherheit der Golfregion zu spielen. Während der ungelöste Konflikt mit dem Irak den direkten Grund liefert, übersteigt die Notwendigkeit einer substantiellen amerikanischen Armeepräsenz im Golf das Ziel einer Überwindung des Regimes von Saddam Hussein.»

Das «Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert»

Dieses PNAC-Papier ist die wesentliche Basis für das Weissbuch des Präsidenten vom September 2002, «The National Security Strategy of the United States of America». Das PNAC-Papier unterstützt einen «Entwurf für den Erhalt der globalen US-Vormachtstellung, die das Aufkommen eines grossen Machtrivalen ausschliesst und die internationale Sicherheitsordnung auf der Grundlage amerikanischer Prinzipien und Interessen gestaltet. Die amerikanische Grossstrategie muss so weit wie möglich in die Zukunft hinein geplant werden.» Weiter müssen die USA «fortgeschrittene Industrienationen davon abbringen, unsere Führerschaft in Frage zu stellen oder nur auf eine grössere regionale oder globale Rolle zu spekulieren.»

Die PNAC-Mitgliedschaft(sliste) von 2000 liest sich wie ein Dienstplan der heutigen Bush-Administration. Sie enthält Cheney, seine Frau Lynne Cheney, den neokonservativen persönliche Berater Cheney's, Lewis Libby; Donald Rumsfeld; Rumsfelds Deputy Secretary Paul Wolfowitz. Sie enthält ebenfalls den Chef des National Security Council SC für den Nahen Osten, Elliott Abrams; John Bolton vom State Department, Richard Perle, und William Kristol. Mit von der Partie waren auch der frühere Vizepräsident von Lockheed-Martin, Bruce Jackson, und der ex-CIA -Kopf James Woolsey, zusammen mit Norman Podhoretz, einem weiteren Gründungsmitglied der Neo-Cons. Woolsey und Podhoretz sprechen offen davon, sich im «Vierten Weltkrieg» zu befinden.

Eine menschliche Finanzwirtschaft entwickeln

Es wird vielen immer klarer, dass es bei dem Krieg im Irak um den Erhalt eines bankrotten amerikanischen Jahrhundertmodells zur Weltbeherrschung geht. Es ist ebenso klar, dass der Irak nicht das Ende sein wird. Was jedoch nicht klar ist und was in der ganzen Welt offen diskutiert werden muss, ist, wie die gescheiterte Petro-Dollar-Ordnung durch ein neues System für globalen wirtschaftlichen Wohlstand und Sicherheit ersetzt werden kann.

Jetzt, da im Irak ein internes Chaos droht, ist es wichtig, die gesamte Nachkriegs-Währungsordnung neu zu überdenken. Die gegenwärtige französisch-deutsch-russische Allianz zur Bildung eines Gegengewichts gegenüber den Vereinigten Staaten benötigt nicht allein eine französisch-geführte Version des Petro-Dollar-Systems, so etwas wie ein Petro-Euro-System, das das bankrotte amerikanische Jahrhundert nur mit einem französischen Akzent weiterführt und in dem der Dollar lediglich durch den Euro ersetzt würde. Dies wäre nicht nur eine Verschwendung menschlicher Energien und würde zu steigender Arbeitslosigkeit in den Industrie- und Entwicklungsländern führen, sondern es würde auch den Lebensstandard weltweit weiter herabsetzen. Was einige Ökonomen während der Asienkrise 1998 begannen, muss weitergeführt werden: Ein grundsätzliches Nachdenken über die Basis für ein neues monetäres System, welches die menschliche Entwicklung unterstützt und nicht zerstört.


 

1 Engdahl, F. William, Mit der Ölwaffe zur Weltmacht, Wiesbaden 2002. Im Kapitel 9-10 wird die Schaffung und Auswirkung des Recycling-Petrodollars und das geheime Saltsjoebaden Treffen 1973 für die Vorbereitung der Ölkrise ausgeführt.

2 Pressemitteilung des Radio Liberty/RFE, Charles Recknagel «Irak: Bagdad bewegt sich auf den Euro zu», 1. November 2000. Die Nachricht wurde während 48 Stunden durch CNN und andere Medien aufgenommen und verschwand prompt aus den Schlagzeilen. Seit dem Artikel von William Clark «Die wirklichen, aber unausgesprochenen Gründe für den bevorstehenden Irak-Krieg» erschien im Internet am 2. Februar 2003 - eine lebendige Online-Diskussion über den Öl-Euro-Faktor fand statt, aber abgesehen von gelegentlichen Erwähnungen im Londoner «Guardian» wurde in den Hauptmedien wenig über die strategischen Hintergrundfaktoren für die Washingtoner Entscheidung, gegen Irak vorzugehen, gesagt.

3 Der Geheimdienstonline-Herausgeber, Guillaume Dasquie, ist ein französischer Spezialist für strategische Geheimdienste und hat für die französischen Geheimdienste bezüglich des bin-Laden -Falls und andere Untersuchungen gearbeitet. Seine Erwähnungen zur französischen Geopolitik reflektieren klar das französische Denken auf hohem Niveau.

4 erschien am 4. April 2003. Er erörtert im Detail eine französische Analyse über die Verletzlichkeit des Dollarsystems am Vorabend des Irak-Krieges


Das System von Bretton Woods

zf. Um das im September 1931 zusammengebrochene internationale Währungssystem neu zu ordnen, wurden an der Internationalen Währungs- und Finanzkonferenz, die vom 1. bis 22 . Juli 1944 in Bretton Woods (New Hampshire, USA) stattfand, die Verträge über die Errichtung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) geschlossen und ein neues Weltwährungssystem begründet.

Das Bretton-Woods-System war eine Reaktion auf die durch Abwertungswettläufe und Protektionismus gekennzeichnete Periode zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Ziel war ein Welthandel ohne Handelsschranken und mit nur sehr geringen Schwankungen bei den Wechselkursen.

Der US-Dollar sollte zukünftig die Weltleitwährung sein und an einen Gold-Standard gebunden werden. Konkret wurde beschlossen, einen Preis von 35 US-Dollar pro Unze Gold festzulegen. Die USA verpflichteten sich, US-Dollar weltweit zu diesem Goldpreis zu verkaufen oder anzukaufen. Die Wechselkurse wurden gegenüber dem US-Dollar festgelegt, und die anderen Notenbanken verpflichteten sich, die Währungen ihrer Länder entsprechend dem festgelegten Wechselkurs zu stabilisieren. Der IWF sollte die Aufgabe haben, bei vorübergehenden Zahlungsbilanzproblemen von Staaten Kredite zu gewähren. Die Weltbank sollte die Kreditgewährung für Entwicklungsländer erleichtern.

 

Der «Washington Consensus»

zf. Der Begriff «Washington Consensus» wurde von dem Wirtschaftswissenschafter John Williamson im Jahr 1989 geprägt. Unter diesem Begriff fasste er zusammen, was er als einen aktuellen Konsens zwischen dem Kongress der USA, dem IWF, der Weltbank und wichtigen Think tanks empfand. Zehn verschiedene Politikempfehlungen bildeten diesen Konsens zur «Reform» angeschlagener Volkswirtschaften:

1. Disziplin der öffentlichen Haushalte,

2. Umleitung öffentlicher Ausgaben in Felder, die sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch eine gleichmässigere Einkommensverteilung versprechen,

3. Steuerreformen mit niedrigeren Höchststeuersätzen und einer breiteren Steuerbasis,

4. Liberalisierung des Finanzmarktes,

5. Schaffung eines stabilen, wettbewerbsfähigen Wechselkurses,

6. Handelsliberalisierung,

7. Beseitigung von Marktzutrittsschranken und Liberalisierung ausländischer Direktinvestitionen (Gleichbehandlung ausländischer und inländischer Firmen),

8. Privatisierung,

9. Deregulierung,

10. Gesicherte Eigentumsrechte.

 

Aus: Zeit-Fragen Nr. 22 vom 16. 6. 2003

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Ölwaffe III

Über den Autor

Geboren 1944, wuchs zwischen den Ölfeldern von Texas auf. Das mag der Grund sein, warum ihn die Beschäftigung mit der technisch und politisch aufregenden Welt des Öls nicht mehr losließ.

Seit über 30 Jahren ist er wissenschaftlich und journalistisch tätig. Er hat seither Arbeiten über die verschiedensten Aspekte internationaler Öl-, Energie- und Wirtschaftspolitik in unterschiedlichen Magazinen und Zeitschriften veröffentlicht, unter anderem auch in TIPRO-Reporter, dem Magazin der unabhängigen Ölförderer in Texas.

Darüber hinaus hat er regelmäßig Beiträge über internationale Wirtschafts- und Energiefragen in verschiedenen Zeitschriften veröffentlicht, unter anderem in European Banker, Business Banker International, Grant`sInvestor, Nikon Keizai Shimbun (Japan) und Foresight Magazine. Der Autor lebt heute als freier Schriftsteller in der Nähe von Frankfurt am Main.

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